Über Mister Pieper

 

Die Geschichte von mir, Mister Pieper...
Mister Pieper
Es war an einem sonnigen Sonntag im späten Spätherbst...
Meine jetzige ungefiederte Freundin wollte eigentlich Pilze sammeln gehen.

Sie saß auf ihrem Fahrrad und fragte sich, ob sie nun links oder rechts abbiegen sollte: Ob sie links im Wald oder rechts auf den Wiesen nach Pilzen Ausschau halten wollte.

Glücklicherweise entschied sie sich für den mich besten, nämlich "rechten" Weg und fuhr Richtung Wiese. Sie bog also rechts ab und keine 500 Meter weiter sah sie einen jungen Mann auf der Gasse vor seinem Auto am Boden rum krabbeln.

Sie dachte sich: "Warum steht dort ein Auto mitten auf der Gasse und was macht der Mann da vor seinem Auto?" Sie fuhr weiter und der Mann fragte sie: "Wollen sie einen Wellensittich haben? Wenn keiner ihn annimmt, wird er Nachts erfrieren."

Meine zukünftige ungefiederte Freundin stieg vom ihrem Rad und schaute sich an, wie der junge Mann mich fangen wollte.

Doch ich hatte einen anderen Plan. Ich flog auf einen Zaun und setzte mich erst einmal dort hin. Meine ungefiederte Freundin in spe handelte intuitiv: Sie hielt mir einfach ihren Arm hin.

Eine Landebahn, die ich gerne in Anspruch nahm. Erst krabbelte ich auf ihren Arm, dann flog ich auf ihren Nacken und hielt mich an ihren Haaren fest.

Die Würfel waren gefallen, meine Entscheidung auch und der junge Mann lachte, als er mich als Schalk im Nacken meiner neuen ungefiederten Wahlpartnerin sitzen sah.


Die Heimreise...
Meine neue Freundin wollte mich nun, mit mir im Nacken sitzend, zu ihrer Behausung in ihrem Garten bringen. Doch ganz so einfach sollte es nun doch nicht gehen.

Ich bin noch einmal runtergehüpft... und sie hatte es nicht bemerkt, da sie nunmal hinten am Kopf keine Augen hat und ihn auch nicht so weit drehen kann, wie wir Vögel. Sie ging also weiter ohne mich.

Da kam ihr eine Frau mit einem Kinderwagen entgegenlaufen und meine ungefiederte Freundin fragte die Frau: "Habe ich da noch einen Vogel, ähm...einen Wellensittich, im Nacken sitzen?".

Die Frau schaute sie etwas verwundert an und verneinte.
Meine ungefiederte Freundin drehte um und radelte wieder los. Sie dachte sich wohl: "Wenn der Wellensittich nicht will, dann sammel ich eben wieder Pilze."

Diese Entscheidung sollte belohnt werden. Mit einem leckeren Parasol-Pilz rechts am Weg und mir in der Mitte des Weges sitzend. Da sah sie mich, frierend in meinem quietschgrün-gelben aufgeplusterten Federkleid und stellte sich die Frage: "Wo bekomme ich jetzt so etwas wie einen Transportkäfig für den kleinen Kerl her?"

Doch um Lösungen und Ideen ist sie nicht verlegen. Lösungsorientiertheit ist wohl ihr zweiter Nachname. Ihr Blick fiel auf das Fahrradkörbchen, das hinten auf dem Gepäckträger angebracht war. Und sie dachte sich: "Das ist der erste Teil vom Vogelkäfig."

Ich war jetzt sehr kooperativ und krabbelte ihr auf den Zeigefinger. Dann hatte sie eine weitere Eingebung, den zweiten Teil ihrer Vogel-Transportkäfig-Lösung:

Sie zog sich ihre kuschelige Jacke aus, setzte mich in das Körbchen und legte ihre gut aufgewärmte, plüschig-gefütterte Jacke über das Körbchen.

Los ging die Reise in mein neues Welli-Leben und sie schob ihr Rad mit mir im Körbchen heimwärts.
 

Angekommen im Garten meiner neuen ungefiederten Freundin
Den Transport in ihre Gartenlaube habe ich gut überstanden.

Sie nahm das Körbchen von ihrem Fahrrad-Gepäckträger und trug mich hinein.
Sie entfernte die Jacke vom Körbchen und was sah sie?

Erst einmal nichts, das Körbchen war leer. Denn ich hatte mich versteckt - im warmen Ärmel ihrer Jacke.

Doch eine meiner Federn linste heraus und sie hat mich entdeckt.
Meine neue ungefiederte Freundin ist nicht einfach nur närrisch sondern auch vogelnärrisch. Diesem Umstand verdanke ich, dass ich an einem Sonntag auch noch Futter bekam.

Warum? Weil sie glücklicherweise Sittichfutter in ihrem Auto hatte, das sie monatelang spazieren fuhr.
Denn normalerweise füttert sie immer die Meisen in ihrem Garten mit Sonnenblumenkernen.
Und als es einmal keine Sonnenblumenkerne mehr gab, hatte sie einfach Sittichfutter geholt.
Welches die Meisen glückerlicherweise nicht wirklich mochten. Wie gut für mich.
 

Die erste Nacht in der Gartenlaube
Nachdem ich ausgiebig das Sittichfutter schnabuliert hatte,  flog ich auf ein Seil, das in ihrer Laube als Wäscheleine aufgehängt war und erholte mich von all den Strapazen des Tages.

Und meine neue ungefiederte Freundin ging erneut auf die Lösungssuche. Denn in ihrer Gartenlaube war sie nur am Wochenende und sie wollte mich dort nicht alleine lassen.

Unter der Woche, wenn sie arbeiten geht, lebt sie in einem ehemaligen, stillgelegten Passagierbus, in dem kein Platz für mich war.

Diesen ungewöhnlichen Wohnstil pflegt sie, seitdem sie als selbstständige Webdesignerin und Buchautorin finanziell gestrandet war und ihre damalige Wohnung einem guten Freund überlassen hat, weil sie die Miete nicht mehr zahlen konnte.

Eine neue Bleibe im Büro des Chefs
Doch glücklicherweise drohte mir nicht das Tierheim, denn sie telefonierte mit ihrem Chef und erzählte ihm von mir.
Dieser hatte ein Herz für Wellis und sagte ihr: "Bring den Vogel mit auf die Arbeit. Denn im Winter die Gartenlaube für einen Wellensittich zu beheizen, das wird teuer werden."

So kaufte mir meine ungefiederte Freundin am nächsten Tag einen Vogelkäfig, damit erneut eine Reise stattfinden konnte.

Auch ich bin lösungsorientiert, wenn es wichtig ist. So kletterte ich meiner ungefiederten Freundin noch einmal auf den Finger und ließ mich, nur für den Transport wohlgemerkt, in den Käfig hinein setzen.

Schaukeln macht mir viel Spaß und so ließ ich mich gerne auf dem Rücksitz des Autos, bei lauschiger Musik, im Käfig chauffieren.

Angekommen an ihrem Arbeitsplatz im Büro, stellte meine ungefiederte Freundin mich ihrem Chef vor. Mitsamt dem Käfig wurde ich erst einmal auf seinem Gäste-Besprechungstisch positioniert.

Der Chef hatte mich schnell in sein Herz geschlossen, genauso wie ich ihn.
Anfänglich wollte ich gar nicht aus meinem Käfig heraus. Es war alles ziemlich fremd, neu und ungewohnt. Doch auch dafür gab es eine Lösung. Der untere Teil des Käfigs wurde entfernt und der Käfig umgedreht. So begab ich mich aus dem Käfig heraus und flog meine erste Runde im Chef-Büro.

Ich landete auf einem wellig geschwungenen Ast, der unter der Decke an zwei Heizungsrohren angebracht war. Und seitdem ist dies mein Lieblingsplatz. Hier habe ich den Überblick, über alles, was im Chef-Büro passiert. Den Käfig habe ich seitdem nicht mehr von innen gesehen. Er wurde an die Wand gehängt und zu einem Essenstisch umfunktioniert.

Oben auf dem Käfig steht der Futternapf und meine heißgeliebte Hirse liegt daneben.
Und so residierte ich einige Zeit mit dem Chef in seinem Büro - bis dieser eine mehrmonatige Auslandsreise antrat.

 

Der Chef auf mehrmonatiger Geschäftsreise
Meine ungefiederte Freundin wollte mir schon seit Beginn meines Aufenthalts einen gefiederten Freund holen. Doch der Chef meinte, dass zwei Vögel im Büro einfach zuviel Lärm machen.

Ja, wenn der Chef redet, dann zwitscher ich sehr gerne lauthals mit.
Wenn er telefoniert oder Gäste in seinem Büro empfängt, fühle ich mich angeregt und und tiriliere in voller Lautstärke. Seine Bedenken kommen also nicht von ungefähr.

Doch nun war er auf einer Auslandsreise und meine ungefiederte Freundin arbeitet im Büro nebenan.
Sie kommt zwar, füttert mich und pfeift mir Liedchen, doch für einen geselligen Vogel wie mich ist das nicht genug.

Es ist zwar nett, dass sie mir einen Computer aufgestellt hat und dieser einen dreistündigen Wellensittichgesang aus einem Youtube-Video von sich gibt, doch auf die Dauer ist dies auch keine Lösung.

 

Mein Weihnachtsgeschenk...
Meine ungefiederte Freundin hat sich getraut. Nein, sie hat nicht geheiratet. (Diese Art von Besitzurkunde lehnt sie kategorisch ab). Aber zwei Tage vor Weihnachten hat sie mir einen kleinen gefiederten Freund geschenkt.
(Nicht wissend, ob der Chef ihn nach seiner Rückkehr im Büro auch akzeptieren würde.)

Eigentlich wollte sie mir einen Spielkumpanen aus dem Tierheim holen, weil sie die Tierhandelsindustrie nicht unterstützen wollte.
Vögel gehören für sie nicht in einen Käfig, sie sollten frei fliegen können.

Wäre ich ihr nicht auf die Schulter geflogen, hätte sie bis heute keinen Vogel aus Leib und Federn. Den im Kopf hat sie natürlich und das zeichnet sie auch aus.

Im örtlichen Tierheim gab es allerdings keinen neuen gefiederten Freund für mich.
So schaute sie in den lokalen Kleinanzeigen nach und dort fand einen privaten Vogelzüchter.

LuckyKurz vor Weihnachten holte sie mir also den acht Monate jungen Lucky. Ob Lucky männlich oder weiblich ist, weiß meine ungefiederte Freundin noch nicht definitiv. Ist ja auch nicht so wichtig. Hauptsache ich bin nicht mehr alleine! 

Wie die Geschichte mit Lucky und mir weitergeht... und was der Chef gesagt und getan hat, als er von der Geschäftsreise wieder heimkam.... folgt demnächst hier! 

 

 

 

 

März 2017 / Copyright L.Schmidt